Unser Artikel wurde in der Presse diskutiert. Eine besonders gelungene Aufbereitung erschien in der NZZ am Sonntag. Dieser Artikel hat eine Reihe von Fragen aufgeworfen. Daher finden Sie hier zusätzliche Informationen zu diesem Artikel.
Diese Studie ist eine konzeptionelle Replikation des verbreiteten moral self licensing Effektes. Es geht um eine Kompensation im Bereich der Moral. Wenn eine Person etwas Moralisches gemacht hat, gibt ihr dies die Lizenz in einem anderen Bereich etwas unmoralischer zu sein. Kompensationseffekte gibt es in vielen Bereichen. Ein gutes Beispiel ist umweltfreundliches Verhalten. Hat man beispielsweise die Isolation seines Hauses verbessert, kann dies einem die Lizenz geben, die Zimmertemperatur zu erhöhen. Diese Kompensationseffekte reduzieren somit die Umweltfreundlichkeit der Isolation des Hauses. Seit einigen Jahren gibt es immer mehr Evidenz, dass sich Kompensationseffekte im Bereich von moralischen Verhaltensweisen auch in ganz unterschiedlichen Domänen zeigen (Mullen & Monin, 2015). In diesem Bereich ist die Studie „Nazis by Kraut: A Playful Application of Moral Self-Licensing“ angesiedelt.
Ein Hauptziel dieser Studie war es, Studierenden zu zeigen, wie man ein Experiment durchführt. Experimente sind die einzige Möglichkeit, die Ursache für etwas zu untersuchen. Wenn wir beispielsweise wissen wollen, ob ein Medikament oder eine Marketingmassnahme wirksam ist, dann führt kein Weg an einem Experiment vorbei. Daher ist es sinnvoll, dass Studierende diese Methode kennen und lernen, wie man diese dokumentiert.
Experimente, die diesem Lehrzweck dienen, haben aus didaktischen Gründen kein kompliziertes Design. Hier geht es nicht darum, etwas Neues zu zeigen. Stattdessen sind es sind oft Replikationen von anderen Studien. Die Studie mit dem Sauerkrautsaft repliziert den moral self licensing Effekt. Wir weisen bereits im Titel darauf hin, dass es sich um eine „playful“, also eine spielerische, Replikation des moral self licensing Effekt handelt. Es ist also eine Studie mit einem kleinen Augenzwinkern. Theoretisch ist es nichts Neues, sondern baut auf dem Wissen aus vorhandenen Studien auf, die etwas Ähnliches gezeigt haben. Beispielsweise führt das Kaufen von ökologischen Produkten (etwas Moralisches) zu vermehrtem Stehlen (etwas Unmoralischem) (Mazar & Zhong, 2010). Unsere Studie ist konzeptionell eine Replikation dieser Studien von Mazar und Zhong. Wir gehen davon aus, dass eine gesunde Ernährung eine moralische Dimension hat. Daher sollte der Konsum von etwas Gesundem (Sauerkrautsaft) einem die Lizenz geben, unmoralischen Aussagen eher zuzustimmen.
In der Wissenschaft ist es wichtig einschätzen zu können, wie stabil sich ein Effekt replizieren lässt. Neben der direkten Replikation gibt es konzeptionelle Replikationen. Diese sind besonders wertvoll, da sie die Generalisierbarkeit (externale Validität) eines Effektes erhöhen (Lynch et al., 2015).
Der Artikel „Nazis by Kraut“ besteht aus einem einzigen Experiment und ist für sich genommen nicht besonders aussagekräftig. Allerdings werden frühere Studien konzeptionell repliziert. Der Artikel leistet dadurch einen Beitrag zum besseren
Verständnis, welche Auswirkungen es hat, wenn Menschen etwas Moralisches tun. Daher ist es sinnvoll diese Studie zusammen mit anderen Studien zu diskutieren, die Effekte des moral self licensing zeigen.
Oft gibt es verschiedene plausible Erklärungen für Ergebnisse in Studien. Eine mögliche Alternativerklärung für diese Studie ist der Geschmack. Sauerkrautsaft ist nicht nur gesund, sondern schmeckt den meisten Personen auch nicht besonders gut. Somit gibt es neben der Gesundheit auch den Geschmack als potentielle Erklärung. Diese Alternativerklärung wird in unserem Artikel diskutiert. Eine Mediationsanalyse zeigt, dass der unangenehme Geschmack für den Effekt nicht verantwortlich gemacht werden kann.
Für solche Studien beantragen wir keine externen Forschungsmittel. Zudem sind solche Studien auch nicht besonders teuer, da jede Person lediglich 1 dl Sauerkrautsaft oder Eistee getrunken hat.
Diese Studie ist eine konzeptionelle Replikation und hat daher ihre Berechtigung. Diese Form des wissenschaftlichen Beitrages ist jedoch nicht vergleichbar mit der Entwicklung von neuen Erkenntnissen oder neuen Theorien. Dementsprechend wurde dieser Artikel in einem Journal veröffentlicht, welches eine adäquate Publikation dafür ist. Das Ziel des Journals Psychology ist es, eine Plattform zu schaffen um Entwicklungen im psychologischen Themenbereich zu teilen und zu diskutieren. Einen solchen Teilbeitrag, welcher zusammen mit anderen Beiträgen den Forschungsstand bereichern kann, leistet der Artikel „Nazis by Kraut: A Playful Application of Moral Self-Licensing“.
Literatur
Lynch, J. G., Bradlow, E. T., Huber, J. C., & Lehmann, D. R. (in press). Reflections on the Replication Corner: In Praise of Conceptual Replications. International Journal of Research in Marketing. doi:10.1016/j.ijresmar.2015.09.006
Mazar, N., & Zhong, C. B. (2010). Do Green Products Make Us Better People? Psychological Science, 21, 494-498. http://dx.doi.org/10.1177/0956797610363538
Messner, C. & Brügger, A. (2015). Nazis by Kraut: A playful application of moral selflicensing. Psychology, 6, S. 1144-1149. doi:10.4236/psych.2015.69112
Mullen, E., & Monin, B. (in press). Consistency Versus Licensing Effects of Past Moral Behavior. Annual Review of Psychology, Vol. 67 (Volume publication date January 2016) (http://www.annualreviews.org/doi/pdf/10.1146/annurev-psych-010213115120)